1972 begann meine Korrespondenz mit Ben Vautier und Wolf Vostell. Mail Art war das optimale Medium, frei zu sein. So konnte ich den Eisernen Vorhang überwinden.
Die Entdeckung der Mail Art war für Endre Tót, geboren 1937 in Ungarn, eine Art Rettung. So gelang es ihm, die Zensur während des Kalten Krieges zu umgehen, und die Kommunikation mit Künstlern der ganzen Welt aufzunehmen.
Eigentlich startete Endre Tót seine Karriere aber als informeller Maler. Eine Bewegung, die es in Ungarn unter dem Regime von Janos Kadar schwer hatte. So wie jede Art von Kunst. Trotzdem gelang es Tót, an Informationen über die aktuellen Kunstströmungen der Zeit wie die Pop Art oder die Konzeptkunst zu gelangen. 1970 hörte er auf zu malen und wandte sich der Konzeptkunst zu. Den Durchbruch brachte die 7. Biennale von Paris 1971. Dort stellte der Kurator Jean-Marc Poinsot erstmals Künstler aus Osteuropa aus. Außerdem gab es eine eigene Abteilung für Mail Art. Endre Tót stellte unlesbare Briefe aus. Die Kritik an politischer Zensur kommt auch in seinen 0-Gemälden, Zeichnungen, Transparenten oder Straßenaktionen zum Ausdruck.
1972 erschien eine wegweisende Publikation „Aktuelle Kunst in Ost-Europa“, herausgegeben von Klaus Groh, die Endre Tót Aufmerksamkeit verschaffte und neue Kontakte ermöglichte. Er kommunizierte über Mail Art auch mit Künstlern, die im Rheinland arbeiteten: Dieter Roth, Gilbert and George, Wolf Vostell, Ben Vautier, John Armleder, George Brecht oder Daniel Spoerri.
Ende der 1970er Jahre erhielt er eine Einladung des DAAD nach Berlin. Es dauerte fast ein Jahr, bis sein Ausreiseantrag von der ungarischen Regierung bewilligt wurde und er sein Stipendium in Berlin antreten durfte. Erst als die internationale Presse über den Ausreisestopp berichtete, konnte Endre Tót Ungarn verlassen. 1980 zog er nach Köln um, wo sein Freund, der ungarische Künstler Attila Kovács, lebte. Ein schlechter Zeitpunkt für einen Konzeptkünstler: In Köln dominierte die Malerei der Neuen Wilden.
Erst nach 1989 wurde Endre Tót in Ungarn rehabilitiert. 1991 stellte er Zeichnungen im Kölnischen Kunstverein aus – zeitgleich mit Martin Kippenberger. 1999 richtet ihm das Museum Ludwig in Köln zum ersten Mal eine große Retrospektive aus.
Seit 30 Jahren lebt Endre Tót im belgischen Viertel in Köln. Mit der deutschen Sprache tut er sich noch immer schwer. Trotzdem ermöglicht seine Erzählung einen Blick in eine außergewöhnliche Lebensgeschichte.
Das Gespräch wurde am 14.1.2020 geführt.