Vielleicht hatte das Sammeln anfangs mit Solidarität zu tun, mit den Künstlern und mit Figuren wie Konrad. Dass ich sie auf diese Weise unterstützt habe. Später habe ich auch meine Sammlung und Archive verschenkt, weil ich der Meinung bin, dass man mit dem Kauf oder der Übernahme von Kunst auch eine Verantwortung hat.
Wie sich die rheinische Galerieszene der späten 1960er Jahre wohl ohne Egidio Marzona entwickelt hätte? Aus enger Verbundenheit zu Konrad Fischer beginnt der 1944 geborene Bielefelder über dessen Galerie intensiv Kunstwerke zu kaufen. Vor allem die Ideen der Konzeptkunst und die Minimal Art interessieren den Sohn einer wohlhabenden italienischen Unternehmerfamilie. Die in Europa noch weitgehend unbekannten Kunstrichtungen bieten Marzona persönliche Anknüpfungspunkte, deren Kauf auch Ausdruck von Protest gegen die Erwartungen seiner Familie ist. Von Fischer erhält er das Erstkaufrecht für die ausgestellten Werke und für ihn wichtige Einblicke in die Produktion und die Hintergründe der zeitgenössischen Kunst. Ob Richard Long, Bruce Nauman, Sol LeWitt, On Kawara, Lawrence Weiner, Robert Ryman – Marzona lernt sie alle kennen und lädt viele von ihnen ein auf seinen Landsitz im italienischen Friaul, um dort große Kunstprojekte für sein Freilichtmuseum zu realisieren. Auch die von den Künstlern gestalteten Einladungskarten, Plakate und Broschüren sammelt Marzona leidenschaftlich. Nach eigenen kurzfristigen Galerieambitionen und der Gründung eines Verlages mit Büchern über das Bauhaus beginnt Marzona systematischer zu sammeln. Herausgekommen ist das weiterhin wachsende „Archiv der Avantgarden“ – die heute weltweit größte und bedeutendste Sammlung zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts – das in den Kunstsammlungen Dresden betreut wird und zur Zeit einen eigenen Museumsbau erhält. Darüber hinaus vermachte Marzona mehr als 1.000 Kunstwerke den Staatlichen Kunstsammlungen zu Berlin.
Das Gespräch wurde am 14.11.2019 geführt.