Rüdiger Carl

Kippenberger war Künstler der Galerie und hatte gesagt: Immer diese langweilige Kunst an der Wand, lass uns doch mal verrückte Musik einladen. Wir waren zufällig in Kontakt und wir hatten uns 1979 in seinem SO 36 in Berlin schon mal auf der Bühne eingefunden. Der mochte uns, fand das gut, was wir machten und seine Freunde Albert Oehlen und so waren eh Fans von unserem Kram. Albert Oehlen hat mal gesagt, wenn man uns hört, dann weiß man – dieses Mal ganz genau – es gibt auch einen gerechten Krieg.

Rüdiger Carl erlebt die rheinische Kunstszene ab den späten 70er Jahren vor allem tanzend und trinkend. Bei großen Eröffnungen und Partys sorgt der Swing des Musikers und seiner Band „Night and Day“ für die nötige gelöste Stimmung. Vor allem für den Künstler Martin Kippenberger bieten diese Nächte die willkommene Bühne: Er springt am höchsten, tanzt mit Spaghetti auf dem Kopf, trinkt exzessiv und macht mit seinen Künstlerfreunden die Nacht zum Tag. Wichtige Einflüsse für Künstler wie Albert Oehlen, Werner Büttner, Martin Kippenberger & Co. kommen aus der Subkultur, der Punkmusik, aber auch aus der improvisierten Musik, des Free Jazz, wie Rüdiger Carl ihn seit den 1960er Jahren in unterschiedlichen Ensembles und Bands spielt.
Der musikalische Werdegang des 1944 in Ostpreußen geborenen Carl überrascht dabei durch eine Vielzahl an musikalischen Brüchen, Wendungen und Experimenten: Von der sperrigen Avantgarde zum tanzbaren Populären und wieder zurück. Die Kunstszene schätzt diese unorthodoxe Mischung und die vielen Facetten der Musikerpersönlichkeit.
Für eine Platte von Night and Day – ein unerlaubter Konzertmitschnitt – benennt sich die Band einmalig in The Golden Kot Quartett um. Auf dem Plattencover posieren zum Schein Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Günther Förg und Hubert Kiecol als Bandmitglieder. Die Kunstkritik staunt über die vielseitig begabten Künstler.
Auch bei privaten Festen von Künstlern wie Günther Förg, Georg Baselitz und Ulrich Rückriem spielt Rüdiger Carl. Bei einem Konzert bei Max Hetzler lernt Carl seine spätere Frau Bärbel Grässlin kennen, die viele dieser Künstler aus dem Umfeld von Rüdiger Carl ab 1985 in ihrer Galerie in Frankfurt ausstellt.
In Frankfurt beauftragt Kasper König Rüdiger Carl mit einem eigenständigen Musikprogramm für den Ausstellungraum Portikus.
Rüdiger Carl lebt in Frankfurt am Main.

Das Gespräch wurde am 29.10.2020 geführt.



[ssba]