Gábor Altorjay

Es war die internationale Pressekonferenz der documenta 4. Alle waren da. Professor Bode, 1.56 Meter groß, kam rein. Vostell ging hin, bumm, die 1000 Pfennigstücke auf den Tisch. Jörg Immendorff sprang an den Tisch und begann über die Pfennigstücke ein Kilo Honig zu gießen. Daraufhin ging Chris Reinecke auf Bode zu und begann, ihn zu küssen. Dann war die Pressekonferenz zu Ende. Danach fuhren wir gleich nach Düsseldorf, um die Akademie zu besetzen.

Gábor Altorjay verteilte auf der Eröffnungspressekonferenz der documenta 4 im Jahr 1968 Blindenbinden an die Journalisten. Der Happening-Pionier war ein Jahr zuvor vor der ungarischen Staatssicherheit aus Budapest geflohen. Zunächst kam der damals 22-Jährige nach Stuttgart, wo er Bazon Brock kennenlernte, mit dem er gemeinsam Happenings im Club Voltaire veranstaltete, einer Kneipe des Sozialistischen Deutschen Studentenverbandes. Wolf Vostell war sein erster Kontakt zur rheinländischen Kunstszene. Im Herbst 1968 zog er nach Köln um und wohnte mit vielen anderen Künstlern in der Genterstraße 23.

Schnell lernte er neben Wolf Vostell auch Jörg Immendorff, Chris Reinecke, Fritz Heubach und Mauricio Kagel kennen und freundete sich mit ihnen an. In der Genterstraße 23 gründeten sie in einer Remise das „Labor zur Erforschung akustischer und visueller Ereignisse e.V“. Im Hinterhof richteten sie auch den Ausstellungsraum „Kombinat I“ ein. Viele der Beteiligten arbeiteten direkt in der Genterstraße 23 an ihrer Kunst, auch die Band The Can hatte dort einen Proberaum.

Neben dem Protest gegen die documenta 4 in Kassel veranstaltete Gábor Altorjay in Köln gemeinsam mit den Freunden vom „Labor“ einen alternativen Kunst-(Jahr)markt in einer noch nicht fertiggestellten Tiefgarage unter der Kunsthalle am Neumarkt. Während des „5-Tage-Rennens“ waren täglich Veranstaltungen und Happenings geplant. Den Begriff Performance gab es damals noch nicht. Gábor Altorjay präsentierte die Aktion „Kurzschluss für die menschliche Verständigung zwischen Juden und Arabern“, Ursula Burghardt „Schiefe Ebene“, Fritz Heubach „Kommunikation“, Mauricio Kagel „Ornithologica Multiplicata“, Wolf Vostell „Magnetostriktio in Milch“. Chris Reinecke und Jörg Immendorff realisierten den „Lidlraum“.

Zahlreiche Aktionen folgten und die Gruppe war drei Jahre lang vom Rheinland aus in ganz Deutschland aktiv. 1970 proklamierte er in der legendären Ausstellung von Harald Szeemann „Happening und Fluxus“ im Kölnischen Kunstverein: „Happening beginnt, wo Kunst aufhört“.

Ab 1971 veränderte Gábor Altorjay seinen Fokus. Kunst bezeichnet er von diesem Zeitpunkt an als „Dienstleistung für die herrschende Klasse“. Er wandte sich dem Hörspiel zu und zog nach Frankfurt um, wo er lange für den Hessischen Rundfunk arbeitete. Heute lebt Gábor Altorjay in Hamburg und Berlin.

Das Gespräch wurde am 15.9.2018 geführt.

[ssba]