Henning Brandis

Sieben Stunden habe ich eine ganz dicke Palette […] mit Tauen versehen auf dem nackten Körper […] geschleppt und geschleppt und hab sie um die Akademie drei mal rum gezogen. Ich wusste, dass drei eine heilige Zahl ist und dass um einen Ort drei Mal herum gehen dem Ort eine bestimmte Weihe gibt. Ein Ort, den ein Dämon nicht anrühren darf, nicht schließen darf.

1968, im Jahr der Studentenproteste und Anti-Vietnam-Demonstrationen, rumorte es auch unter den Düsseldorfer Kunststudenten. Während Immendorffs LIDL-Woche übernahmen Studierende und eingeladene Künstler*innen die Akademie, um sie neu zu denken. Fassungslos über die darauf folgende polizeiliche Schließung protestierte Henning Brandis mit seiner Aktion vor dem Gebäude. Brandis, geboren 1944 in Göttingen, hatte das Kunststudium in Düsseldorf bei Dieter Roth gerade erst wieder aufgenommen. Der gelernte Farbenlithograph hatte zunächst in Braunschweig und dann in Hamburg an der HfBK studiert. Nach dem plötzlichen Tod seiner damaligen Freundin hatte er zwei Jahre in der Psychiatrie verbracht. Dort war er über die Beschäftigungstherapie mit Leo Navratils Werk über die Kunst von Psychiatriepatienten in Kontakt gekommen. Nach dem Weggang von Dieter Roth wechselte Brandis in die Klasse von Joseph Beuys. Ab 1970 betrieb er u.a. mit seiner damaligen Partnerin Erinna König das Büro Olympia, das aus LIDL entstanden war. Dort sollte mit Ausstellungen, Aktionen und Veranstaltungen zu gesellschaftlichen und politischen Themen ein neues Publikum erreicht werden. Das Künstlerpaar politisierte sich in der Folge stärker. Von 1972 bis 1977 unterrichtete Brandis als Kunstlehrer an einem Gymnasium, parallel dazu machte er weiter künstlerische Aktionen. Es folgte ein kurzer Job als Art Director in der kunstaffinen Düsseldorfer Werbeagentur GGK. Bei einem Italienaufenthalt fand er erneut Zugang zur Kunsttherapie und eröffnete in Berlin einen Ableger der Kölner Schule für Kunsttherapie. Henning Brandis lebt in Berlin.

Dieses Gespräch wurde am 31.3.2020 geführt.

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